Niemand ist frei von Fehlern, auch Anwälte machen nicht immer alles richtig. Verzweifelt war jedoch unsere Mandantin die uns beauftragen musste, Regress bei dem Rechtsanwalt zu nehmen, den sie beauftragte, ihren ursprünglichen Rechtsanwalt in die Haftung zu nehmen. Regelmäßige Fortbildung und die Beachtung von Rechtsprechungsänderungen durch Lektüre der einschlägigen Fachzeitschriften ist für den Rechtsanwalt Pflicht.

Rechtsanwalt A hat unsere Mandantin in den Jahren 2006 und 2007 in einem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht vertreten. Dieses Verfahren wurde in 2. Instanz gewonnen.  Folge war, dass für die Zeit des Verfahrens eine Lohnnachzahlung aufgrund von Annahmeverzug hätte bezahlt werden müssen. Der zwischen dem damaligen Arbeitgeber und der Klägerin vereinbarte Arbeitsvertrag sah eine Bezugnahme auf einen Tarifvertrag mit einer Ausschlussfrist von 3 Monaten vor. Nach der 2006/2007 herrschenden Rechtsprechung hätte eine Geltendmachung binnen dieser 3 Monate erfolgen müssen, weder hat dies Rechtsanwalt A erledigt, noch hat er unsere Mandantin hierauf hingewiesen. Rechtsanwalt A ist vielmehr “verschwunden”, erst nach Fristablauf hat unsere Mandantin Kenntnis davon erhalten, dass die Ausschlussfrist auch auf die vorliegende Konstellation anwendbar war. Rechtsanwalt A hätte das Problem vermeiden können, indem er während der beiden Instanzen auch die Annahmeverzugslohnansprüche gerichtlich geltend gemacht hätte.

Nachdem Rechtsanwalt A nicht mehr greifbar war, wurde Rechtsanwalt B beauftragt um sich um die Ansprüche der Mandantin zu kümmern. Rechtsanwalt B erkannte sofort die Fehler des Rechtsanwalt A und hat die Mandantin folgerichtig darauf hingewiesen, dass hier die Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalt A einspringen hätte müssen. Zwischenzeitlich gab es ein zweites Kündigungsschutzverfahren, erst nach Abschluss desselben wurde die Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalt A angeschrieben, es entwickelte sich eine über Jahre dauernde Korrespondenz, die Haftpflichtversicherung hat Ansprüche weder bejaht, noch abgelehnt.

Übersehen wurde aber im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Versicherung, dass gegen diese kein Direktanspruch bestanden hätte, man hätte gegen den “verschwundenen” Rechtsnwalt A vorgehen müssen, insbesondere aber gab es 2010 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage, ob Ausschlussfristen auch für Annahmeverzugslohnansprüche während Kündigungsschutzverfahren gelten, die damalige Rechtsprechung wurde als für verfassungswidrig bewertet. Infolgedessen war die Situation gegeben, dass ein Schaden für die Mandantin gar nicht mehr gegeben war, vielmehr hätte von dem ursprünglichen Arbeitgeber die Forderungen auch gerichtlich beigetrieben werden können. Denn hier lag auch keine ablehnende rechtskräftige Entscheidung vor, es wurde von Rechtsanwalt B – nach damaliger Rechtsprechung eigentlich überflüssig – lediglich ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegen den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht eingeleitet um die Lohnansprüche geltend zu machen. Das Arbeitsgericht hat diesen Antrag – nach damaliger Rechtslage zutreffend – abgelehnt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unterbricht – wie auch eine Klageerhebung – die Verjährung – hat aber bei Ablehnung nicht zur Folge, dass Rechtskraft bezüglich des Nichtbestehens von Ansprüchen eintritt.

Dies wurde aber von Rechtsanwalt B übersehen, er hat weitere 1 1/2 Jahre mit der Versicherung des Rechtsanwalt A korrespondiert und auch 2013 mit der Mandantin noch darüber diskutiert, ob hier nicht Klage gegen die Versicherung eingereicht werden soll. Die lange Bearbeitungsdauer machte die Mandantin skeptisch und sie ließ den Sachverhalt durch Rechtsanwalt Sauer prüfen. Nach Sichtung der umfangreichen Akten musste festgestellt werden, dass eben nur eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalt B gegeben war, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, Änderungen der Rechtsprechung im Auge zu behalten und diese auf die von ihm bearbeiteten Fälle – auch auf laufende Verfahren – anzuwenden. Nachdem die Rechtsprechungsänderung in den juristischen Fachzeitschriften umfangreich geschildert wurde, deren Lektüre ist zwingend anzuraten, war eine zu vertretende Pflichtverletzung gegeben, die einen Schadensersatzanspruch ausgelöst hat. Dieser Schadensersatzanspruch wurde dann vom Landgericht Mannheim auch bestätigt, der Antrag auf Klageabweisung des Rechtsanwalt B war nicht erfolgreich.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, nach gut 7 Jahren hat unsere Mandantin endlich die ihr zustehende Vergütung – knapp 17.000 € – in Form von Schadensersatz zuzüglich Zinsen und Kosten erhalten.

Endscheidung des Landgericht Mannheim vom 6. März 2014 (6 O 193/13)